Chronische Nervenschmerzen

Unser Behandlungsspektrum

Chronische Nervenschmerzen

Chronische Nervenschmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität vieler Menschen in Deutschland. Je nach Schmerzintensität und Häufigkeit können sie sehr quälend sein. Von peripheren neuropathischen Schmerzen spricht man, wenn Nervenbahnen an Armen und Beinen betroffen sind. Demgegenüber entstehen zentrale neuropathische Schmerzen durch Schädigung von Gehirn oder Rückenmark.

Nervenschmerzen werden in der Fachsprache auch neuropathische Schmerzen oder Neuralgie genannt. Laut Deutscher Schmerzgesellschaft entstehen sie als direkte Folge einer Schädigung von „Gefühlsfasern“ des Nervensystems. Anders als bei allen anderen Schmerzarten entsteht der Schmerz dadurch, dass Nervenschädigung zur Wahrnehmung von Schmerz in den Nervenendigungen führen.

Die Auslöser von neuropathischen Schmerzen können vielfältig sein. Internistische, orthopädische und neurologische Erkankungen können zugrunde liegen. So können Patient:innen mit Diabetes Mellitus, Wurzelreizsyndromen, Kopf- und Gesichtsschmerzen, schmerzhaften Polineuropathien oder Rückenproblemen durch Bandscheibenvorfall genauso betroffen sein wie Patient:innen nach Hirninfarkt oder Rückenmarksläsion. Auch Phantomschmerzen werden den Nervenschmerzen zugeordnet.

Die Behandlung von Nervenschmerzen erfordert eine kombinierte, multiprofessionelle Behandlung.

Zunächst muss die dem Schmerz zugrunde liegende Krankheit untersucht und gut eingestellt werden. Die Schmerzkrankheit selbst kann mittels Schmerztagebüchern gut aufgezeichnet werden und dient dem Behandlungsteam als Grundlage. Medikamentöse Therapie in Verbindung mit in Schmerzbehandlung geschulten Psycholog:innen sind eine häufig angewandte Kombinationen. Motorische Therapien wie Physiotherapie und Ergotherapie ergänzen das Spektrum. Bei bestimmten Indikationen kann auch eine Operation sinnvoll sein.

Die Deutsche Schmerzgesellschaft (DGS) nennt als realistische Ziele gemäß Leitlinie zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eine Schmerzreduktion um > 30-50 %, eine Verbesserung der Schlafqualität und Lebensqualität, den Erhalt der sozialen Aktivitäten sowie den Erhalt der Arbeitsfähigkeit.

Interview mit Dr. med. Rudolf van Schayck

"Wir brauchen einen multiprofessionellen Ansatz"

Seit vielen Jahren beschäftigt sich Dr. Rudolf van Schayck mit chronischen Nervenschmerzen. Als Leiter der Kliniken Schmieder Stuttgart ist er sehr häufig mit neuropathischen Schmerzen konfrontiert. Ihre Behandlung und die daraus resultierende Hilfe für die Betroffenen ist ihm ein Herzensanliegen, das er auch mit Vorträgen, Weiterbildungen und Publikationen zum Thema neuropathische Schmerzen verfolgt.

Was versteht man unter Nervenschmerzen?

van Schayck: Als Nervenschmerzen, Neuralgie oder neuropathische Schmerzen bezeichnet man Schmerzen, die durch eine Schädigung der Nervenbahnen oder eine Beschädigung von Gehirn und Rückenmark entstehen. Neuropathische Schmerzen treten vor allem dann auf, wenn die Nervenbahnen und Schaltstationen im Gehirn verletzt werden, die der Schmerzverarbeitung und Schmerzweiterleitung dienen. Sind die Nervenbahnen an Armen und Beinen betroffen, spricht man von peripheren neuropathischen Schmerzen. Bei Schädigung von Rückenmark oder Gehirn können zentrale neuropathische Schmerzen entstehen. Die Betroffenen beschreiben neuropathische Schmerzen als Brenngefühl wie Brennnesseln, als Kribbel- oder Prickelgefühl wie Ameisenlaufen oder Stromkribbeln, als schmerzhafte Berührungsempfindlichkeit, als blitzartige, elektrisierende Schmerzattacken, als gelegendlich schmerzhafte Kälte oder Wärme, z.B. im Badewannenwasser, und als schmerzhafte Druckempfindlichkeit im Schmerzbereich. Oft werden die neuropathischen Schmerzen von einem Taubheitsgefühl im Schmerzbereich begleitet. Neuropathische Schmerzen können außerordentlich quälend sein, vor allem bei häufigem Auftreten und hoher Schmerzintensität.

Welche Krankheiten können Nervenschmerzen verursachen?

van Schayck: Periphere neuropathische Schmerzen entstehen bei Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) mit Nervenschädigung, bei Durchblutungsstörungen der Beine, bei Gürtelrose (sogenannte Herpes zoster-Infektion mit postzosterischer Neuralgie), durch verschiedene Giftstoffe wie Alkohol und manche Medikamente, aber auch bei einer Tumorerkrankung oder als erbliche Krankheit. Bei einer Verletzung im Bereich der Arme oder Beine mit Nervenverletzung, Nervendurchtrennung bis hin zur Amputation können ebenfalls periphere neuropathische Schmerzen entstehen, zusätzlich Reaktionen des vegetativen Nervensystems, die man Sudeckkrankheit, sympathische Reflexdystrophie oder komplexes regionales Schmerzsyndrom nennt. Bei Amputationen können Phantomschmerzen und Stumpfschmerzen auftreten. Auch die schmerzhafte Nervenschädigung bei Bandscheibenvorfall und bei Einengung des Medianusnerven am Handgelenk (sogenanntes Karpaltunnelsyndrom) zählt man zu den peripheren neuropathischen Schmerzen. Auch die sehr heftigen Gesichtsschmerzen der Trigeminusneuralgie sind durch eine periphere Schädigung des Trigeminusnerven verursacht. In der Neurologischen Rehabilitation findet man viele Betroffene mit zentralen neuropathischen Schmerzen nach Hirninfarkt, Hirnblutungen, nach Hirnentzündungen und Multipler Sklerose (MS), nach unfallbedingten Schädigungen des Gehirns (Schädel-Hirn-Trauma) und des Rückenmarks (Querschnittslähmung), aber auch bei Hirn- und Rückenmarktumoren und der seltenen Syringomyelie. Die Syringomyelie bedeutet eine Höhlenbildung im Rückenmark und Hirnstamm, die fast immer mit zentralen neuropathischen Schmerzen einhergeht.

Was kann eine Schmerztherapie bei chronischen Nervenschmerzen bewirken?

van Schayck: Chronische Nervenschmerzen bestehen laut Definition seit mindestens drei Monaten, häufig bestehen sie aber schon Monate oder Jahre. Dadurch entwickelt sich der chronische Schmerz zu einem eigenständigen Problem, einer Schmerzkrankheit. Um eine solche Schmerzkrankheit erfolgreich zu behandeln, müssen besondere Anstrengungen unternommen werden. Zunächst sollte die verursachende Grundkrankheit genauer untersucht werden. In einigen Fällen läßt sich der Schmerz dadurch lindern, dass man die Grundkrankheit besser einstellt. Dafür ist die Zuckerkrankheit ein typisches Beispiel. Die Schmerzkrankheit selbst sollte mit Hilfe von Schmerztagebüchern aufgezeichnet werden. Das Schmerztagebuch hilft auch zu erkennen, ob verschiedene Behandlungsmethoden den Schmerz lindern können. Bei vielen chronisch schmerzkranken Menschen zeigt sich eine seelische Mitreaktion. Traurigkeit, Depression und Angst sind häufige Begleiter eines schweren chronischen Schmerzes. Sie führen nicht selten zusammen mit dem Schmerz zu Rückzug, sozialer Isolation und Verlust der Arbeitsfähigkeit. Dadurch wird klar, dass eine alleinige medikamentöse Therapie oft nicht ausreichend ist. Neben Medikamenten benötigt der Betroffene eine medizinisch ärztliche Betreuung und Beratung, oft ist auch eine psychologische Betreuung sinnvoll und wirksam. Die schmerztherapeutisch geschulten Psycholog:innen nutzen die seelischen Kräfte der Patientin oder des Patienten zur Linderung der Schmerzen. Dazu wird häufig die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie eingesetzt. Am Schluss sind in ausgewählten Fällen auch operative Eingriffe sinnvoll. Gerade bei der Trigeminusneuralgie können bestimmte neurochirurgische Verfahren sehr erfolgreich sein. Die Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen erfolgt im Schmerzteam für den chronisch Schmerzkranken. Das Schmerzteam zielt zusammen mit den Betroffenen und ihrer Familie auf eine Linderung des Schmerzes und Besserung der Lebenssituation. Dazu tragen auch Physiotherapeut:innen und Ergotherapeut:innen bei, die mit den Betroffenen funktionell üben.

Welche Rolle spielen Morphine zur Behandlung chronischer Nervenschmerzen?

van Schayck: Morphine oder Opiate sind stark wirksame Schmerzmedikamente, die für die Behandlung von Schmerzen nach Operationen und bei Krebsschmerzen entwickelt wurden. Leider lassen sich viele Formen des Nervenschmerzes nicht einfach mit diesen Schmerzmedikamenten beseitigen. Weiterhin kann die unkontrollierte Einnahme von Morphinen in Einzelfällen zu einer Sucht führen. Vom Schmerzexperten angewendet können Morphine aber in medizinisch sinnvollen Situationen durchaus auch bei chronischen Nervenschmerzen eine Beschwerdelinderung bewirken. Vorteile der Morphine sind ihre gute Organverträglichkeit auch bei Langzeitanwendung und die Kombinierbarkeit mit anderen Medikamenten gegen Nervenschmerzen. Typische Probleme der Behandlung mit Morphinen sind die müde machende Nebenwirkung in der Anfangsphase der Behandlung und eine Verstopfung durch Darmträgheit bei starken Morphinen. In jedem Fall sollte eine Morphinbehandlung chronischer neuropathischer Schmerzen ärztlich begleitet und gelenkt werden.

An wen kann man sich mit chronischen Schmerzen wenden?

van Schayck: Zunächst sollte man als Betroffener mit dem Hausarzt sprechen. Für einige neuropathische Schmerzkrankheiten wie die Trigeminusneuralgie ist der Neurologe zuständig. Fachleute für Schmerzbehandlung kann man auch über die Homepage der Deutschen Schmerzgesellschaft www.dgss.org oder der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie www.stk-ev.de finden. In schweren Fällen kann auch eine stationäre Behandlung in einer Schmerzklinik sinnvoll und notwendig sein.

Chronische Nervenschmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität vieler Menschen. Es gibt immer wieder neue Ansätze bei ihrer Behandlung und bestehende werden weiter entwickelt.

Sie können sich bei Fragen zur Schmerztherapie, zu Ursachen, Behandlungserfolgen oder aber direkt zu Inhalten und Methodik direkt an Dr. med. Rudolf van Schayck, Ärztlicher Leiter der Kliniken Schmieder Stuttgart wenden.

Dr. med. Rudolf van Schayck

Ärztliche Leitung Neurorehabilitation

Sekretariat: Miriam Elbert
Tel.: 07156 941-221

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