Unser Rehabilitationskonzept
Phasen neurologischer Rehabilitation
Seit den 1950er Jahren haben die Kliniken Schmieder die einzelnen Stufen der Neurologischen Rehabilitation aus der Praxis heraus entwickelt. Heute sind die Stufen und die ihnen entsprechenden Behandlungskonzepte der stationären und ambulanten Neurologischen Rehabilitation im Phasenmodell formuliert. Es ordnet alle Aspekte der Neurologischen Rehabilitation je nach Schweregrad und Dauer der Erkrankung den Behandlungsphasen A bis F zu.
Phasen neurologischer Rehabilitation
Phase A
Akutbehandlung
Die Akutbehandlung erfolgt nach einem Unfall oder einer Erkrankung gegebenenfalls unter intensivmedizinischen Bedingungen. Entscheidend ist, dass den Patient:innen schnell geholfen wird. Die ersten Stunden nach einem akutneurologischen Ereignis und die Versorgung der Patient:innen in diesem Zeitraum sind von großer Bedeutung. Oft sind Vitalfunktionen erheblich eingeschränkt. Eine schnelle wie auch fachlich qualifizierte Behandlung der Patient:innen z.B. in einer Stroke Unit (Schlaganfallstation) ist unbedingt erforderlich.
Phase B
Frührehabilitation
In der Frührehabilitation wird die Behandlung und rehabilitative Förderung schwerstgeschädigter Patient:innen durchgeführt. Bei den Patient:innen sind auf Grund der Schwere noch intensivmedizinische Überwachungs- und Behandlungsmaßnahmen erforderlich. Viele verschiedene Berufsgruppen (Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachgebiete, Therapeut:innen, Intensivpfleger:innen, Sozialdienste...) arbeiten mit den Patient:innen und Angehörigen zusammen, um wieder Vitalfunktionen, Sensomotorik und Koordination sowie mentale, kognitive und psychische Funktionen wiederherzustellen. Beatmungsbetten sowie eine intensivmedizinische Ausstattung sind dafür unerlässlich.
Phase C
Frühmobilisierung
Im Mittelpunkt der Behandlung in der Phase C (postprimäre Rehabilitation) steht die Förderung der Alltagskompetenzen. Die Patient:innen sind kooperationsfähig und medizinisch stabil, doch zum Teil bedürfen sie noch erheblicher pflegerischer Betreuung. In interdisziplinären Teams arbeiten Ärztinnen und Ärzte, verschiedene Therapeut:innen, Pflege und Sozialdienst zusammen, um eine maßgeschneiderte Therapie für das individuelle Krankheitsbild der Patient:innen zu entwickeln.
Phase D+E
Anschlussheilbehandlung (AHB)
In der Phase D/E wird die berufliche Wiedereingliederung vorbereitet. Die Patient:innen sind alltagspraktisch weitestgehend selbstständig. In der Phase D/E stehen beispielsweise die Prüfung der Arbeits- und Berufskompetenz im Vordergrund, aber auch das Training mentaler und psychischer Funktionen, die soziale Kompetenz sowie die Freitzeitkompetenz. Neben einer Berufsförderung oder Umschulung kann die volle Reintegration ins berufliche Umfeld erfolgen.
Phase F
Langzeitpflege
Sofern Patient:innen keine Fortschritte in ihrem Gesundheitszustand mehr machen, kommen Pflegeeinrichtungen in Betracht, die die Nachsorge übernehmen.
Prof. Friedrich Schmieder war davon überzeugt, dass durch fachgerechte und intensive Behandlung auch lange Zeit nach einer Schädigung des Gehirns Verbesserungen gestörter Leistungen möglich sind. Damals war dies eine Annahme, die nicht beweisbar war. Heute kann die moderne Hirnforschung seine Annahme beweisen. Deshalb wählten wir unser Klinikmotto: Nie aufgeben! Es soll unseren Patient:innen während und nach der Rehabilitation Mut machen, Optimismus und Kraft schenken.
Komplexität des Gehirns
Die Neurologische Rehabilitation ist komplex. Inhalte und Konzepte der Neurologischen Rehabilitation leiten sich aus der Struktur des menschlichen Gehirns und der Schwere seiner Schädigung ab. Weil das Gehirn als Schaltzentrale alle körperlichen, geistigen und seelischen Vorgänge steuert, ziehen Schädigungen vielschichtige Funktionsstörungen nach sich. Häufig sind unsere Patient:innen durch Sprach- oder Rechenstörungen, Lähmungserscheinungen oder auch seelische Beeinträchtigungen im Kern ihres Daseins getroffen. Eine enge Verzahnung vieler medizinischer und therapeutischer Disziplinen ist notwendig, um den Rehabilitationsfortschritt je nach Schweregrad und Stadium der Erkrankung optimal zu gestalten.
Organische Ebene
Das Gehirn ist das Steuerungsorgan des Menschen. Es umfasst über zehn Milliarden Nervenzellen, von denen jede mit bis zu 10.000 anderen Nervenzellen verbunden ist. Die verschiedenen Regionen des Gehirns sind für bestimmte Funktionen zuständig. Unser Denken und unsere Wahrnehmung, aber auch die motorische Kontrolle finden hier statt. Selbst lebenswichtige Funktionen wie Herztätigkeit, Blutkreislauf und Atmung werden in einem Teil des Gehirns kontrolliert. Auch der Schlaf-Wach-Rhythmus wird im Hirnstamm gesteuert.
Personelle Ebene
Aufgrund ihrer Komplexität braucht die Neurologische Rehabilitation viele medizinische und therapeutische Disziplinen. Die Interdisziplinarität eines Reha-Teams zeigt dies deutlich: Hochspezialisierte Ärztinnen und Ärzte leiten das Team, darunter Neurolog:innen, Psychiater:innen, Psychotherapeut:innen, Internist:innen, Orthopäd:innen, Intensivmediziner:innen und Geriater:innen. Rehabilitations-Pflegekräfte und Therapeut:innen aus vierzehn Disziplinen arbeiten mit den verantwortlichen Ärztinnen und Ärzten Hand in Hand.
Systemische Ebene
Wenn die Neurologische Rehabilitation optimal sein soll, muss sie der Komplexität des Gehirns in Konzepten, Organisation und Realisierung Rechnung tragen. So sind in der Neurologischen Rehabilitation verschiedene Phasen erforderlich, die ganz unterschiedliche Infrastrukturen und therapeutische Disziplinen benötigen. Jahrzehntelange klinische Erfahrung führte zur Entwicklung des Phasenmodells der Neurologischen Rehabilitation, das Patient:innengruppen und zugeordnete Behandlungsabläufe definiert. Das Phasenmodell wurde an den Kliniken Schmieder modellhaft entwickelt und durch mehrjährige Forschung verifiziert.
Funktionelle Ebene
Wenn bestimmte Hirnregionen durch Unfall oder Krankheit geschädigt sind, erleiden Patient:innen häufig gleichzeitige Funktionsdefizite unterschiedlichster Art. Oft werden zum Beispiel durch einen Schlaganfall Halbseitenlähmungen und Sprachstörungen ausgelöst. Auch Störungen des Planens und Handelns, Rechenstörungen oder Sehstörungen können mit motorischen Funktionsausfällen einhergehen. Überdies ist der Anteil multimorbider neurologischer Patient:innen groß. Neben der Hauptdiagnose haben sie oft mehrere, häufig internistische Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Hypertonie. In mehr als 60 Prozent der Fälle sind es drei oder mehr Erkrankungen. Bei jeder dritten Patientin/jedem dritten Patienten liegen fünf oder mehr Diagnosen vor.
Rehabilitationsziele
Die genaue Erfassung der Funktionsminderungen oder Funktionsausfälle (Funktionsdiagnostik) ist Voraussetzung für die Formulierung der Therapieziele und die Festlegung der Behandlungsschritte. Je nach Schweregrad und Umfang der Funktionsminderungen werden im Verlauf der Behandlung die Behandlungsziele und Behandlungsstrategien durch die behandelnden Ärzt:innen in engstem Zusammenwirken mit dem therapeutischen Team an den Trainingsfortschritt angepasst. Mögliche Ziele:
- Besserung der gestörten Funktionen und Anleitung zum selbstständigen Üben
- Kompensation der verlorenen Funktionen durch Einüben von Ersatzstrategien
- Anpassung an das verbliebene Leistungsvermögen und Training gesundheitsfördernder Verhaltensweisen
- Förderung bislang ungenutzter persönlicher Ressourcen
- Leben lernen mit den Hirnschädigungsfolgen nach Krankheit oder Unfall ist ein zentrales übergreifendes Thema unserer Therapie.
Der Umgang mit dem jeweiligen Leistungsvermögen und den momentanen Belastbarkeitsgrenzen auf allen Bereichen erfordert eine sorgfältige Planung der Arbeits- und Freizeitvorhaben. Pausen und Entspannungsübungen beugen der Gefahr der Überforderung und rascher Ermüdung vor. Die auf die Krankheitsfolgen ausgerichteten Therapien werden ergänzt durch die Vermittlung von Grundkenntnissen über Gesundheitsrisiken und das Training gesundheitsgerechten Verhaltens in Seminaren. Nur so können die in der Rehabilitationsklinik durch Training erreichten Fortschritte auch erhalten werden.
Chronische Erkrankungen und Behinderung führen oft zu Isolation. Hand in Hand mit dem Verlust der gewohnten sozialen Beziehungen geht der Verzicht auf vertraute Gewohnheiten wie Sport und Hobbys. Unsere Rekreationstherapie bietet deshalb die Beschäftigung mit alten wie neuen Interessensgebieten verschiedenster Art an.