»Ich bin gerne unterwegs«

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Patientenportrait: Karin Maier

»Ich mag die Atmosphäre in der Klinik«

Hirnstammentzündung/Ponsinfarkt

Unser zentrales Nervensystem besteht aus Großhirn, Zwischenhirn, Mittelhirn, Brücke (=Pons), Stammhirn, Kleinhirn und Rückenmark. Bei einem Ponsinfarkt handelt es sich um einen Hirninfarkt im Bereich des Hirnstammes. Hier liegen neben lebenswichtigen Funktionen wie Atmung, Kreislaufregulation auch die Steuerungszentren für unsere Augen und auch für das Schlucken.

Im Alter von 40 Jahren bekommt Karin Maier eine Mittelohrentzündung. Als die Südschwarzwälderin aus Todtnau plötzlich heftige Kopfschmerzen bekommt lässt sie ihr Hausarzt umgehend in die Uniklinik Freiburg bringen. Wider Erwarten wird sie nach kurzer Untersuchung sofort wieder nach Hause geschickt. Als Vorsichtsmaßnahme übernachtet sie im Haus ihrer Eltern. In der Nacht finden diese ihre Tochter bewusstlos auf. Per Hubschrauber kommt Karin Maier erneut in die Uniklinik, wo eine durch die Mittelohrentzündung ausgelöste Hirnstammentzündung festgestellt wird, dazu ein Ponsinfarkt links. Sie fällt ins Koma. Einen Monat später kommt sie nach Allensbach in die Frühreha. Nun liegt ein mühesamer Weg vor ihr. Nach und nach gewinnt sie ihre Fähigkeiten und ihre Selbständigkeit wieder. Und auch im Berufsleben fasst sie wieder Fuß.

"Als ich im Mai im Rettungswagen liegend in die Kliniken Schmieder in Allensbach eingeliefert wurde, konnte ich weder sprechen, noch schlucken, nicht einmal den Kopf heben. Es zeigte sich, dass ich an einer Hemiparese rechts und einer Gesichtslähmung links litt. Zu Beginn der Behandlungen hatte ich häufige Durchhänger und konnte mich kaum motivieren weiter zu machen. Bis jetzt bin ich bei einigen Übungen ängstlich und muss immer wieder von den Therapeuten genötigt werden. An Weihnachten wollte ich aber unbedingt nach Hause kommen, ich habe das Sprechen und aufrecht sitzen wieder erlernt und tat alles um so selbständig zu werden, dass ich alleine wohnen konnte. Meine Familie und Verwandte haben meinen Umzug in eine barrierefreie Wohnung erledigt, als ich kurz vor Weihnachten ankam, war alles bereits hergerichtet und die Sozialstation kam morgens um mir beim Start in den Tag zu helfen. Die Umgebung und die Leute zu Hause haben mir gefehlt, die allgemeine Unterstützung in der Heimat half mir nach vorne zu schauen. Die Durchhänger waren von da an passé.

Später stand eine Bürgermeisterwahl im Nachbarort an und da ich gelernte Verwaltungsfachangestellte bin, sagte der künftige Bürgermeister zu mir, dass er mich gerne mit im Boot hätte. Zuerst hielt ich es nur für ein Wahlversprechen, aber das war es nicht. Seither holt mich jeden Donnerstag ein Taxi von zu Hause ab und bringt mich zum Arbeiten ins Rathaus, wo ich in der Öffentlichkeitsarbeit tätig bin. Außerdem arbeite ich gelegentlich als freie Mitarbeiterin für die Badische Zeitung und berichte vor allem über Versammlungen oder Veranstaltungen, an denen ich im Rollstuhl teilnehmen kann. Ich habe ein Aufnahmegerät und ein selbstgebautes Stativ für meine Kamera, die ich so mit einer Hand bedienen kann. Meine Artikel am Computer schreibe ich mit dem „Fünffingersytem“.

Bisher hatte ich fünf stationäre Reha-Aufenthalte in den Kliniken Schmieder. Beim Laufen lernen in der Physiotherapie habe ich enorme Fortschritte gemacht, was nicht zuletzt an den unglaublich motivierenden Therapeuten liegt. Mit dem Unterarmgehwagen übe ich regelmäßig vor dem Frühstück. Ich mag die Atmosphäre in der Klinik wenn alle noch schlafen und nur die Reinigungskräfte umher huschen. Mittags damit zu laufen ist besonders ermutigend wenn Mitarbeiter und andere Patienten sagen: „Oh jetzt läufst du aber gut.“ Die Patienten wissen die kleinen Fortschritte zu schätzen und das motiviert. Einem selbst fallen sie manchmal gar nicht so sehr auf.

Meine Familie und ein Freund kommen mich regelmäßig besuchen wenn ich in der Reha bin. Auch der E-Mail Kontakt zu meinen Freunden ist mir in dieser Zeit besonders wichtig und gibt mir Kraft. Außerdem schöpfe ich viel Zuversicht aus meinem Glauben an Gott und dem Wissen, dass nicht nur ich, sondern auch andere für mich beten. Die Zeit zwischen den Behandlungen verbringe ich gerne mit Lesen oder mit Spazierfahrten runter ins Dorf, an den See oder um Eis essen zu gehen.

An einem Sonntag war ich im Rollstuhl auf dem Weg zur Kirche in Allensbach. Da ruft ein Mann, den ich nicht kannte, über die Straße: „Kommst du nicht nach Hause?“ Dann habe ich rüber gerufen: „Doch, aber ich möchte gar nicht.“ – Ich bin gerne unterwegs, ich wollte nur zur Kirche.

Auch zu Hause habe ich jede Woche Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie um auch dort weitere Fortschritte zu machen. Mittlerweile kann ich auch ohne Hilfsmittel immer weiter gehen, für den kommenden Winter will ich mir ein Laufband für zu Hause anschaffen um weiter zu trainieren. Das klappt nämlich ziemlich gut.

Mein rechter Arm ist noch das Sorgenkind, bisher ist es noch schwierig ihn im Alltag einzusetzen. Zurzeit bemühe ich mich darum einen Behindertenbegleithund zu bekommen und irgendwann will ich wieder Auto fahren dürfen. Im Sesselrad bin ich zu Hause öfter unterwegs, im Frühjahr will ich außerdem ein dreirädriges Fahrrad kaufen. Da wird der Rumpf noch stärker gefördert und es macht großen Spaß damit umher zu radeln.

Vor etwa einem Jahr habe ich zudem begonnen mich ausschließlich vegan zu ernähren. Die Küche der Kliniken Schmieder stellt sich darauf ein und das hat mir geholfen 20 Kilogramm abzunehmen. Niemand hat mir das zugetraut. Seither gehen viele Bewegungen viel leichter als zuvor. Ich bin eben ein sturer Schwarzwälder. Und wenn die sich etwas in den Kopf setzen, dann schaffen sie das auch."

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