»Es hat alles seine Zeit«

Patienten berichten

Konrad Kreidler verlor trotz Schlaganfall nicht die Balance

»Es hat alles seine Zeit«

Schlaganfall

Der Schlaganfall ist keine einheitliche Erkrankung; der Oberbegriff „Schlaganfall“, auch Apoplex oder Hirninsult genannt, wird für eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen verwendet, die verschiedene Ursachen und damit auch unterschiedliche Therapien erfordern. Je nach Ursache sprechen Ärzte präziser vom „Hirninfarkt“, wenn der Schlaganfall durch eine Mangeldurchblutung des Gehirns hervorgerufen wurde oder von einer „Hirnblutung“, wenn er durch den Austritt von Blut in das Hirngewebe verursacht wurde. Knapp 270.000 Schlaganfälle* ereignen sich jährlich in Deutschland, etwa 200.000 davon sind erstmalige Schlaganfälle.
*Angaben der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe

Der Schlaganfall traf Konrad Kreidler im Schlaf. Am Donnerstagabend lief der 52-jährige Familienvater noch als selbstständiger Werkzeugmacher aus der eigenen Metallverarbeitungsfirma, am Freitagmorgen dann der Schlaganfall. Danach war alles anders. Auf der Intensivstation hieß es: Wenn er das Wochenende übersteht, dann kommt er durch. Konrad Kreidler hat nicht nur das Wochenende überstanden – er hat heute, sechs Jahre später, dank seines Kämpfergeistes und mehreren Rehas in den Kliniken Schmieder, die schwerwiegenden Folgen seines Schlaganfalls weitgehend im Griff.

„Ich erinnere mich noch genau: Es war am 22. Oktober 2010. Morgens um 5:15 Uhr ging der Wecker. Ich wollte aufstehen und bin gestürzt, weil mein linkes Bein nicht mehr ging. Meine Frau hat sofort den Notarzt gerufen. Die Diagnose: Schlaganfall.
Am Anfang konnte ich gar nicht abschätzen, was sich dadurch alles verändert. Ich hatte vorher keinerlei Berührungspunkte mit dem Thema gehabt – ein „Schlägle“ halt, wie man bei uns Schwaben sagt. Ich dachte: Nach einem Jahr werde ich wieder der Alte sein. Mit der Zeit wurde mir klar, dass das nicht so einfach sein wird. Da denkt man schon: Jetzt ist das meiste vom Leben gelaufen.

Am einen Tag noch selbstständig, am nächsten Tag war ich Rentner. Arbeiten konnte ich nicht mehr. Wenn man 30 Jahre eine Firma aufgebaut hat und diese dann aufgeben muss – das tut weh. Aber auch daheim musste ich umstellen. Am Anfang war das Schwierigste, zuhause die Arbeit zu sehen, aber nichts tun zu können. Auch mal eine Viertelstunde sitzen und nichts zu tun ist schwierig. Meine Frau, meine beiden Söhne und meine zehn Geschwister haben mich wirklich sehr unterstützt. Auch meine Freunde waren immer für mich da. Ich bin seit über 30 Jahren in der Feuerwehr und in der Narrenzunft – da bilden sich Freundschaften für’s Leben. Bei der Fasnet nicht mehr aktiv mitlaufen zu können, das hat mir schon sehr gefehlt. Aber die anderen haben mich trotzdem mitgenommen. Ich war von Anfang an voll integriert.

In meinem neuen Leben war ich nun halbseitig gelähmt und konnte nicht gehen. Nach dem Krankenhaus und der Frühreha in Bayern haben wir deshalb angefangen, daheim unser Haus rollstuhlgerecht umzubauen. 2011 kam ich dann zu den Kliniken Schmieder Gerlingen in die Phase C. Anfangs habe ich noch Vollversorgung gebraucht, doch dank viel Therapie ging es dann langsam aus dem Rollstuhl heraus. Als der Umbau am Haus fertig war, konnte ich den Rollstuhl abgeben.

Es war viel Arbeit, körperlich wieder dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Mein linkes Bein und mein linker Arm mussten alles neu lernen. Physiotherapie, Ergotherapie, Gleichgewichtstraining, Muskel-Botoxinjektion, Elektrostimulation, Massagen – bei der Reha macht die Summe aller Maßnahmen für mich den Unterschied. Deshalb bin ich jetzt schon zum wiederholten Mal bei den Kliniken Schmieder. Nach einigen Aufenthalten in Gerlingen bin ich derzeit in Allensbach. Das sind top Leute hier. Und auch daheim bleibe ich am Ball. Fünfmal die Woche habe ich Therapie: Neben Physio und Ergo auch Hippotherapie, die bringt viel für das Gleichgewicht. Durch unseren Hund Johnny komme ich außerdem täglich raus. Diese Spaziergänge fördern Mobilität, Kraft und natürlich auch das Selbstbewusstsein: Nach einer Runde von drei Kilometern hat man schon das Gefühl – ich bin wieder dabei!

Die größte Baustelle ist jetzt noch die linke Hand. Ein Glas halten etwa – das ist die Zukunft. Meinen Therapeuten hier in Allensbach habe ich gleich am Anfang gesagt: ‚Die Linke ist erst austherapiert, wenn sie wie die Linke beim Klitschko kommt.‘ Ich bin guter Dinge, dass ich den Weg dahin auch noch gehe. Man muss dranbleiben, auch wenn die Fortschritte klein sind. Meine Erfahrung gebe ich gerne an andere Betroffene weiter. Es ist sehr wertvoll und schön, wenn man anderen helfen kann.

Der Schlaganfall hat vieles verändert. Man hat schon ein anderes Bild von sich als früher. Aber ich bin zufrieden, wie ich jetzt wieder bin. Ich sag‘ immer: ‚Ein Schlaganfall ist wie ein Tatoo – das hat man sein Leben lang.‘ Mir wär’s anders auch lieber, aber es ist halt so. Es hat alles seine Zeit.

2012 habe ich meinen Führerschein neu gemacht. In der Narrenzunft laufe ich mittlerweile auch wieder mit. Zwar nicht mehr als Maskenträger, aber dafür bin ich jetzt der „Täfelesbua“, der Tafelträger. Durch den Schlaganfall habe ich gelernt: Man muss an sich glauben und nicht aufgeben. Deshalb trage ich auch das Armband ‚Du musst kämpfen‘ – das rate ich auch anderen Patienten. Es ist unglaublich, was der Wille vermag: Ein Bekannter konnte 17 Jahre nach seinem Schlaganfall die linke Hand plötzlich wieder bewegen. Der hat dann noch den Motorradführerschein gemacht. Ich glaub‘, ich sollte meine Motorsäge noch behalten“, lacht er verschmitzt.

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