Stiftung-Schmieder-Preis

Förderung der Wissenschaft

Stiftung-Schmieder-Preis 2020/21

Am 27. Oktober 2021 wurden drei Nachwuchsforscherinnen mit dem Stiftung-Schmieder-Preis 2020/2021 für Arbeiten auf dem Gebiet der Neurologischen Rehabilitation ausgezeichnet. Im Rahmen des erstmals im Internet live übertragenen Dies academicus an der Universität Konstanz überreichte Lisa Sophia Friedrich, Geschäftsführerin der Stiftung Schmieder für Wissenschaft und Forschung, den Preis an Gesa Pust, Milena Gölz und Livia Gretz.

„Alle drei Wissenschaftlerinnen leisten mit ihren Arbeiten einen wertvollen Beitrag zu einem besseren Verständnis des Krankheitsbilds der Multiplen Sklerose (MS) und bereichern damit die Forschung und die Therapieweiterentwicklung in diesem Bereich“, begründet die Jury ihre Entscheidung.

Psychodynamische Perspektive auf MS-Fatigue

Gesa Pust, angehende Psychologische Psychotherapeutin, untersucht in ihrer Dissertation die Fatigue bei Multiple Sklerose aus einer psychodynamischen/psychosomatischen Perspektive heraus. Ihre Arbeiten zeigen, dass neben den dominierenden körperlichen Erklärungsmodellen auch psychische Faktoren bei der Entstehung von MS-Fatigue im Rahmen von MS eine wichtige Rolle zu spielen scheinen. So legen ihre Forschungsergebnisse beispielsweise nahe, dass sich emotionaler Missbrauch und emotionale Vernachlässigung in Kindheit und Jugend auf die Fatigue-Symptomatik auswirken und dass vor allem spezifische Bewältigungsmechanismen bei Belastungen bedeutsam für die MS-Fatigue sind.

Psychodynamische Theorien besitzen seit jeher eine besondere Bedeutung für die Neurorehabilitation und die Psychosomatik. Mit einer groß angelegten Online-Studie konnte Gesa Pust nun lang bestehende klinische Hypothesen überprüfen. Die Arbeiten von Frau Pust versuchen erstmalig eine psychodynamische Perspektive auf MS-Fatigue mittels empirischer Methoden zu überprüfen und hiermit die Basis für neue Forschungsfragestellungen und die Weiterentwicklung evidenzbasierter therapeutischer Interventionen zu legen. Die beiden ausgezeichneten wissenschaftlichen Publikationen sind Teil ihrer Dissertation im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts zwischen der Universität Konstanz, den Kliniken Schmieder Konstanz und der MS-Ambulanz des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).

Subjektive und objektive Erschöpfung voneinander abgrenzen

Milena Gölz’ ausgezeichnete Masterarbeit entstand im Rahmen des CogLoad-Projekts in der Arbeitsgruppe für Motorische Kognition und Neurorehabilitation im Fachbereich Psychologie an der Universität Konstanz, in Zusammenarbeit mit den Kliniken Schmieder Konstanz und wurde 2021 in der Zeitschrift Neurologie und Rehabilitation veröffentlicht. In ihrer Studie untersuchte sie die selbst eingeschätzte Befindlichkeit und die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistungen von MS-Patienten der Kliniken Schmieder, sowohl nach Belastung als auch nach Entspannung. In der Belastungsbedingung sollten die Patienten drei Stunden lang kognitiv belastende Aufgaben lösen.

Ziel war es, verschiedene Konzepte wie Fatigue, also die subjektive Erschöpfung, und Fatigability, die objektive Erschöpfung, voneinander abzugrenzen und mögliche Überschneidungen oder Verbindungen zu Persönlichkeitsmerkmalen, Depression und Selbstkontrolle festzustellen. Die Ergebnisse der Studie zeigten bei den untersuchten MS-Patienten tatsächlich eine deutlich schlechtere Befindlichkeit und längere Reaktionszeiten nach der Belastung im Vergleich zur Entspannung. Jedoch konnte kein Zusammenhang zwischen der Fatigue und Fatigability gefunden werden.

Mit ihrer Arbeit macht Milena Gölz deutlich, dass es wichtig ist, im klinischen Alltag sowohl die subjektive Erschöpfung als auch die objektive Erschöpfung in die Diagnostik mit einzubeziehen. Auf dieser Grundlage können dann die passenden Therapieoptionen ausgewählt werden. Parallel zu ihrer Promotion in der Arbeitsgruppe für Motorische Kognition und Neurorehabilitation arbeitet Milena Gölz seit Juli 2021 als Psychotherapeutin in Ausbildung in der Abteilung Psychotherapeutische Neurologie in den Kliniken Schmieder Konstanz.

Bedeutung von Resilienz bei MS-Patienten

Zum ersten Mal wurde mit Livia Gretz eine Absolventin des berufsbegleitenden Bachelorstudiengangs Motorische Neurorehabilitation an der Universität Konstanz ausgezeichnet. Die Ergotherapeutin ist in ihrer Bachelorarbeit der Frage nachgegangen, welche Bedeutung Resilienz in der Nutzung von Alltagshilfen bei MS-Patienten einnimmt. Die Resilienz kann als Fähigkeit verstanden werden, unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen, Schwierigkeiten und Krisen zu meistern und diese als Anlass zur eigenen Entwicklung zu nutzen.

Auch wenn es bereits viel Literatur und Forschung zu diesem Bereich gibt, findet man wenige Beispielberichte, wie sich die Resilienz bei einer an Multipler Sklerose erkrankten Person im Laufe des Krankheitsverlaufs weiterentwickelt. Die von Livia Gretz durchgeführte Fallanalyse kann den Zusammenhang zwischen Resilienz und den Gebrauch von Alltagshilfen deutlich machen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis darüber, warum sich Patienten unterschiedlich gut erholen.

Die Preisträgerinnen und ihre ausgezeichneten Arbeiten:

Gesa Pust, M. Sc., Fachbereich Psychologie
Fatigue in Multiple Sclerosis is associated with childhood adversities (veröffentlicht 2020 in Front. Psychiatry 11:811).

Association of Fatigue Severity With Maladaptive Coping in Multiple Sclerosis: A Data-Driven Psychodynamic Perspective. (veröffentlicht 2021 in Front. Neurol. 12:652177)

Milena Gölz, M. Sc., Fachbereich Psychologie
The relationship between subjective fatigue and performance measures in multiple sclerosis

Livia Gretz, B. Sc. Motorische Neurorehabilitation, Fachbereich Geschichte und Soziologie mit Sportwissenschaft und Empirischer Bildungsforschung
Do it yourself – und möglichst wirksam: die Bedeutung von Resilienz bei Menschen mit Multipler Sklerose und Alltagshilfen mittels Fallanalyse

Stiftung-Schmieder-Preis