Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Entmarkungserkrankung des zentralen Nervensystems. Neben der Epilepsie ist sie eine der häufigsten neurologischen Krankheiten bei jungen Erwachsenen. Die meisten Patient:innen sind zwischen 20 und 40 Jahre alt, wenn die Symptome zum ersten Mal auftreten. Bei mehr als einem Drittel der Patient:innen fängt die MS mit Gefühlsstörungen an: Arme oder Beine fühlen sich taub an oder es kribbelt auf der Haut. Ziel der therapeutischen Maßnahmen ist es, die Unabhängigkeit der Patient:innen im Alltag zu erhalten. Die beste erreichbare Lebensqualität soll gewährleistet werden.
1990 erhält Achim Dold die Diagnose Multiple Sklerose. Damals wusste er noch nicht, was das für ihn bedeutet und wie er damit umgehen soll. 1995 folgte sein erster Aufenthalt bei den Kliniken Schmieder, seitdem kommt der 62-Jährige jedes Jahr zur Rehabilitation nach Gailingen und ist dankbar für diese Chance.
„1990 war ich auf dem Tennisplatz und habe keinen Ball mehr sehen können. Dann bin ich erstmal zum Augenarzt gegangen. Damals gab es kaum Neurologen, ich war deshalb hauptsächlich bei meinem Hausarzt. Die Diagnose bekam ich dann erst im Krankenhaus, als der Chefarzt mir auf die Schultern klopfte und sagte ‚Sie haben MS. Morgen können Sie wieder heimfahren‘. Ich wusste nicht viel darüber und habe es so hingenommen, dachte nichts Schlimmes dabei. Ich kann schlecht laufen – damals, wie heute. Ich habe Kraftprobleme, schlechte Ausdauer, Gleichgewichtsstörungen und das Fatigue Syndrom. Ich bin also oft sehr erschöpft, als wäre mein Akku leer.
Erst nach fünf Jahren konnte mir meine neue Hausärztin erklären, was MS eigentlich ist. Sie sorgte dann dafür, dass ich zur Reha nach Gailingen komme. Meine Erwartungen an die Reha waren gering. Doch in den vier Wochen war ich so überrascht, was hier alles möglich war. Ich habe mich unbewusst darauf eingelassen und habe den Therapeuten sehr viel zu verdanken. Mich zieht es deswegen jedes Mal wieder nach Gailingen.
Hier ist man einfach unter Gleichgesinnten. Man versteht sich. Es ist sehr schön, wenn man sich in kleinen Gruppen zusammensetzt und sprechen kann. Zwar schließe ich keine engeren Freundschaften, trotzdem bringt mich hier jede Begegnung weiter. Die psychologische Unterstützung finde ich deshalb auch sehr wichtig – egal ob in interaktiven Gruppen, in psychologischen Einzelgesprächen, oder mit den Ärzten.
Hier kann ich komplett abschalten, da ich weit weg bin vom Alltag. Für mich ist es wichtig, dass ich mich voll und ganz auf die Therapien konzentriere. Natürlich ist es schade, dass ich mein Umfeld nicht habe. Aber meine Frau versteht das. Hier hat man die Hilfe, die man zuhause im Alltag nicht bekommen kann. Körper, Geist und Seele sind eins, ich kann total in mich reinhören. Da meine Probleme hauptsächlich körperliche Defizite sind, ist die Physiotherapie für mich besonders von Vorteil. Vor allem am Anfang ist diese sehr wichtig, damit man weiß: Es kann wieder funktionieren. Es bleibt nicht so.
Damals hätte ich eine Ewigkeit gebraucht, zur Toilette zu laufen. Jetzt geht das schon wieder besser. Meine Aufenthalte laufen immer ähnlich ab: In der ersten Woche lasse ich los, bin weg von der Zivilisation und mache meine Therapien. In der zweiten und dritten Woche geht es immer bergab, körperlich und psychisch, da mein Körper nicht an die Vielzahl der Anwendungen gewohnt ist. Und dann merke ich in der vierten Woche, wie es besser wird und sich an irgendeinem Punkt stabilisiert, bis ich nach Hause fahre. Ich fahre immer besser heim, als ich gekommen bin. Das ist sicher.
Für mich ist der Aufenthalt hier wie eine Medikation. Zwar ist die Krankheit nie komplett heilbar, dennoch gehe ich mit der Einstellung durchs Leben, dass es trotz Negativem auch viel Positives gibt. Ich habe zum Beispiel meine Frau hier kennengelernt. Wir stehen alle schweren Zeiten gemeinsam durch und sie gibt mir viel Kraft. An unserem 20. Kennenlerntag haben wir uns dann verlobt und sind nun verheiratet. Das ist für mich das Positive. Mir ist bewusst geworden, dass man auch schöne Erlebnisse haben kann, trotz Handicap. Man darf sich einfach nicht hängen lassen, sonst hat man schon verloren. In meinen 1039 Tagen hier, fast 3 Jahre insgesamt, habe ich vieles gelernt und bin dankbar dafür, so eine gute Unterstützung bei den Kliniken Schmieder zu bekommen. Ich sage immer „Der Berg hilft mir“.