»Meine Freunde haben mir unheimlich geholfen«

Patienten berichten

Christian Seiwert kämpfte sich erfolgreich aus dem Rollstuhl

»Wichtig war mir schnell wieder selbstständig und mobil zu werden«

Mediainfarkt

Der Mediainfarkt ist die häufigste Form des Schlaganfalls. Über 200.000 Menschen in Deutschland erleiden jährlich einen Schlaganfall im Bereich der mittleren Hirnarterie, die der größte Ast der vorderen Halsschlagader ist. Häufig werden Embolien, z.B. aus dem Herzen, direkt in die mittlere Hirnarterie weitergetragen. Ausgelöst wird ein Mediainfarkt durch Thromben oder Embolien, die wiederum auf Arteriosklerose, Bluthochdruck, Diabetes Mellitus oder andere Ursachen zurückführen. Die mittlere Hirnarterie ist mit das wichtigste Gefäß für die Blutversorgung des Gehirns. Sie versorgt den größten Teil der seitlichen konvexen Hirnfläche (Stirn-, Scheitel- und Schläfenlappen u.a.).

Christian Seiwerts Leidenschaft ist die auf Rädern. Zweiräder, Vierräder – am liebsten die gut motorisierten. Rollstühle gehörten eigentlich nicht dazu. Doch genau in einem solchen landet er nach einem Schlaganfall, den er im August 2012 in seinem Garten erleidet. Doch mit viel Ehrgeiz und Wille kämpft er sich zurück auf die Beine. Mittlerweile läuft er nicht nur beinahe problemlos, sondern ist im Auto und im Liegerad auch wieder auf den Straßen unterwegs. Die Kraft hierfür schöpft er vor allem aus der Unterstützung durch seine Freunde.

"Ich bin gelernter KFZ-Mechaniker und kam an den Bodensee um die Ruhe dort zu genießen. Das tat ich auch eine Weile, habe Freunde gefunden, alles war gut, bis der Schlaganfall kam. Am 27. August 2012 arbeitete ich eben an der Terrasse in meinem Garten auf der Insel Reichenau als ich plötzlich einfach umgekippt bin. Ich habe feste in meine Hand gebissen und es nicht einmal gespürt. Zum Glück haben meine Vermieter:innen sofort erkannt, was los ist und den Notarzt gerufen. Sechs Tage lang lag ich auf der Intensivstation, dann kam ich für vier Monate mit einer Lähmung in der linken Seite zur Reha in die Kliniken Schmieder nach Gailingen. Dort wurde mir dann gesagt, dass ich vermutlich in ein Altenheim muss, da ich alleinstehend bin und mich nicht selbst versorgen konnte. Das war ein Schlag für mich und da habe ich beschlossen, mir das Anziehen, Waschen und auf Toilette gehen auf eigenes Risiko wieder beizubringen. Ich bin vor dem Wecken aufgestanden und habe geübt und eines Tages als die Schwester morgens ins Zimmer gekommen ist, bin ich schon fix und fertig und frisch rasiert im Rollstuhl gesessen. Danach bin ich nach Hause gekommen und wurde dort vom Roten Kreuz betreut. Die Unselbständigkeit war trotzdem weiterhin schrecklich, und ganz schlimm für mich als Motorradfahrer war die Tatsache plötzlich an den Rollstuhl gefesselt zu sein. Doch dann habe ich mir gedacht: „Das kann nicht alles gewesen sein!“ Also verkaufte ich mein Auto und auch mein Motorrad und habe mich voll und ganz auf die ambulante Reha konzentriert. Angetrieben wurde ich zusätzlich von meiner Vermieterin, die mich zu Hause sozusagen aus dem Rollstuhl heraus geprügelt hat und täglich mit mir im Hof gelaufen ist. Das ging mit der Zeit immer besser und dann habe ich gemerkt, dass aus meinem Körper noch sehr viel mehr rauszuholen ist. Einen weiteren Schub gab mir auch mein zweiter stationärer Reha-Aufenthalt in Allensbach im Herbst 2013, durch den es deutlich bergauf ging.

Wichtig war mir vor allem schnell wieder selbständig und mobil zu werden. Ich habe zwei Fahrstunden gehabt und bekam schließlich nach einigen Tests ein ärztliches Gutachten, dass ich fahrtüchtig bin. Mit dem Gutachten in der Hand habe ich sofort telefonisch begonnen mir ein Auto mit Automatik zu suchen. Acht Tage später bin ich in meinem Smart schon durch die Gegend gefahren. Das war für mich das absolute Highlight! Das Auto ermöglicht mir selbständig die 10 Kilometer zu den ambulanten Terminen nach Allensbach zu fahren und wenn das Wetter schlecht ist, komme ich selbst sonntags in die Klink um in den Gängen das Laufen zu trainieren und mich mit anderen Patient:innen zu unterhalten. Die Gespräche und die sichtbaren Erfolge motivieren alle gegenseitig. Der Kontakt mit den anderen Patient:innen hat mir auch geholfen mich damit abzufinden, was passiert ist. Früher war ich immer Hans Dampf in allen Gassen. Das konnte nicht ewig gut gehen. Mittlerweile betrachte ich den Schlaganfall als Bremse für meinen Körper, die vielleicht sogar schlimmeres vermieden hat.

Dann habe ich ein Liegerad von einem Freund bekommen, das ich selbst umgebaut habe, also die Schaltung der linken Seite auf die rechte verlegt, da die linke Hand noch nicht stark genug ist. Damit fahre ich nun jeden zweiten Tag mindestens 20 Kilometer und das bringt mich unheimlich weiter. Früher kannten mich alle auf der Reichenau nur auf dem Motorrad - und dann plötzlich im Rollstuhl. Das war gar nichts. Und wenn ich jetzt auf dem Rad vorbei fahre, habe ich das Gefühl, dass sich die ganze Insel mit mir freut, dass ich so weit gekommen bin.

Mittlerweile reagiert auch mein linker Arm auf die Spiegeltherapie, bei der das Gehirn sozusagen ausgetrickst wird. Deshalb habe ich mir für zu Hause einen Spiegel bauen lassen um auch dort zu trainieren. Man muss kämpfen, ehrgeizig sein und den Willen haben immer weiter zu arbeiten, das rate ich auch allen anderen Betroffenen.

Mittlerweile mache ich meinen kompletten Haushalt alleine und der linke Arm beginnt sich auch immer besser zu bewegen. Im Frühjahr habe ich sogar meine Gartenmöbel selbst abgeschliffen und gestrichen – da haben die Nachbar:innen aber geschaut! Beim Einkaufen kommt es immer häufiger vor, dass ich den Stock an ein Regal anlehne und vergesse, da ich einfach loslaufe ohne es zu merken. Dann muss ich zurück und ihn suchen gehen.

Dass ich wieder so selbständig bin liegt daran, dass ich immer gekämpft und nie aufgegeben habe. Ich verdanke es aber auch den Therapeut:innen, dem ganzen Umfeld und auch meinen Freund:innen. Die sind sehr dünn in so einer Situation, aber die guten, die bleiben, und die haben mir wahnsinnig geholfen und die schätze ich nun umso mehr und bin ihnen sehr dankbar. Es ist die Kombination aus all dem was mich so weit gebracht hat. Und ich bin unheimlich stolz auf das was ich erreicht habe.

Als nächstes Ziel habe ich mir vorgenommen ganz ohne die Unterstützung durch den Stock zu laufen, den linken Arm und die Hand noch besser zu bewegen und ein normales Fahrrad fahren zu können. Dafür übe ich momentan viel auf der Slackline, auf der ich lerne die Balance zu halten. Ich bin für jeden Spaß zu haben!"

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