»Man braucht sehr viel Geduld«

Patienten berichten

NACH EINEM UNFALL IN DER BREITACHKLAMM KÄMPFT SICH FRIDOLIN BAUR ZURÜCK INS LEBEN

»Meine Hobbys sind kaum mehr möglich«

Schädel-Hirn-Trauma

Von einem Schädel-Hirn-Trauma spricht man bei Verletzungen der Kopfschwarte, des Schädels und des Gehirns, welche durch äußere Gewalteinwirkung entstanden sind. Die Verletzungen können einzeln oder kombiniert vorliegen – in jedem Fall jedoch wird das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen. Wegen der Gefahr von Hirnblutungen oder anderer Komplikationen wird für jeden Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma die Beobachtung im Krankenhaus empfohlen. Sogenannte Sekundärschäden können durch eine schlechte Hirndurchblutung oder durch das „Einklemmen“ von anschwellenden Hirnteilen in vorgeformten Knochenhöhlen oder Bindegewebsstrukturen des Schädels auftreten.

Fridolin Baur ist Dokumentarfilmer und  viel in den Bergen unterwegs. 2014 soll er Aufräumarbeiten in der Breitachklamm dokumentieren. Die Waldarbeiter fällen einen Baum grob fahrlässig, dieser stürzt in die falsche Richtung und trifft Fridolin Baur am Kopf. Die Folgen sind weitreichend: Er erleidet ein schwerstes Schädel-Hirn-Trauma und liegt sechs  Wochen im Koma. Der Vater eines Sohnes muss alles neu lernen und kann seinen Beruf nicht mehr ausüben. Er erzählt, wie er sich zurück ins Leben gekämpft hat und auf was er sich in naher Zukunft am meisten freut.

„Ich war von Beruf Filmemacher und in diesem Zusammenhang auch Regisseur und Kameramann. Eines Tages wurde ich angerufen und gefragt, ob ich aushelfen könne, weil ein anderer Kameramann krank geworden sei. Es ging dabei um Aufräumarbeiten in der Breitachklamm, die dokumentiert werden sollten. Mir wurde ein Platz zugewiesen, von dem ich das Bild eines umstürzenden Baumes aufnehmen sollte. Den haben die Waldarbeiter allerdings so fahrlässig gefällt, dass der Baum in die falsche Richtung und mir auf den Kopf gefallen ist. Die Folge war ein schwerstes Schädel-Hirn-Trauma mit multiplen Kontusionsblutungen und sechs Wochen Koma. Ich konnte weder sprechen noch selbstständig atmen, nicht essen und trinken und hatte ein eingeschränktes Sichtfeld. So schlimm wie die Situation jetzt auch ist, ich darf und muss froh sein, dass ich wieder eine gewisse Selbstständigkeit erreicht habe. Man muss sich an den kleinen Dingen freuen – es bleibt einem auch gar nichts anderes übrig.

Seit 2014 war ich ständig in den unterschiedlichsten Reha-Einrichtungen und ich kann bestätigen, dass es immer ein kleines bisschen voran geht, wenn man dranbleibt. Man darf nur nicht aufgeben und muss akzeptieren, dass man Einschränkungen vom Unfall hat – auch wenn diese Akzeptanz alles andere als leicht fällt. Seit drei Monaten bin ich nun bei den Kliniken Schmieder und habe einige Fortschritte gemacht. Ich habe gelernt, den derzeitigen Zustand und seine Folgen besser wahrzunehmen und zu akzeptieren. Diesen Prozess muss jeder Geschädigte durchlaufen und man muss sich auch genug Zeit dafür nehmen. Gut gefällt mir hier, dass ich im Alltag selbstständig und alleine klar komme. Ich habe mein eigenes Zimmer, kann mich selber duschen und selbstständig zum Essen gehen. Das genieße ich sehr. Mein Therapieplan ist voll, aber hat genügend Pausen – ich habe schnell gemerkt, dass man sich für die Pausen ganz bewusst auch genügend Zeit nehmen muss. Das Training ist mein neuer Lebensinhalt: Mein Beruf ist es jetzt nicht mehr, für andere Filme zu drehen, sondern meinen eigenen Film zu machen – indem ich das Training annehme und versuche umzusetzen.

Meine Hobbys sind kaum mehr möglich. Ich kann die Kamera nicht mehr halten und meine Aufmerksamkeit reicht noch nicht, um Texte zu schreiben. Aber es gibt auch sehr schöne Momente: Ein Besuch im Kino mit meiner Familie oder ein Konzert, mal ein Eis oder Pommes essen zu gehen.

Ich bin ein sehr motorischer Mensch und bin das auch über meinen Unfall hinweg geblieben. Die Physio-Therapie hat mir deswegen gut gefallen, die Ergebnisse in der Ergo-Therapie könnten noch ein bisschen besser sein. Bei der Logopädie haben wir geschaut, was mir gut tut und wie ich das in den Alltag einbringen kann. In Zukunft hoffe ich, meine Angst vor Stürzen zu verlieren. Ich kann zwar mit dem Stock gehen, aber wenn ich hinfalle, komme ich ohne fremde Hilfe nicht mehr auf die Beine. Wir haben hier deswegen oft geübt, mit der Hilfe eines Vierpunkt-Stocks vom Boden aufzustehen. Das geht ganz gut und durch weiteres Üben verliere ich dann hoffentlich auch die Angst vor weiteren Stürzen.

Mein nächstes Ziel ist das eigene Haus im Allgäu, das gerade gebaut wird. Ich freue mich schon, mit meiner Familie dort einzuziehen und einen Weg zu finden, den Alltag zu genießen. Das Haus wird an meine Einschränkungen angepasst, damit ich dort selbstständig klar komme. Keine Stufen oder Absätze, rollstuhlgerecht und an vielen Stellen Geländer. Und Kleinigkeiten, wie Stifte am Herd, so dass man den Topf in eine Ecke schieben kann zum einhändigen Umrühren. Das sind so kleine, kreative Möglichkeiten um sich zu helfen, auf die man selber vielleicht gar nicht kommt. Da gibt es so viel zu bedenken!

Anderen Patienten kann ich mitgeben, dass man dran bleiben muss. Sie und ihre Familie müssen es hinnehmen, dass es nicht mehr geht wie früher. Die Situation, in der sie stecken, ist wirklich ganz furchtbar und das müssen sie annehmen. Der Patient muss mit der Hilfe der Therapeuten einen individuellen Weg finden und lernen, mit dem Schaden umzugehen. Man muss es wollen, aber darf es gleichzeitig auch nicht zu sehr wollen – sonst baut der Kopf Blockaden auf und man hindert sich selbst. Den Weg muss jedoch jeder für sich selber finden, denn er ist ganz individuell. Man muss dem Körper Raum geben und nicht zu viel Druck aufbauen. Es ist kein einfacher Weg, der vor euch liegt. Aber eins kann ich euch sagen: Es wird wieder. Es wird anders, aber es wird.

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