»Am besten ist es, immer dranzubleiben.«

Patienten berichten

Klaus Holler findet langsam den Weg zu seinen Gefühlen und Emotionen

»Ich bemerke eine positive Entwicklung meines Unfalltraumas«

Organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma

Von einem Schädel-Hirn-Trauma spricht man bei Verletzungen des Gehirns, welche durch äußere Gewalteinwirkung entstanden sind. Ursachen bei jungen Patienten sind am häufigsten Verkehrsunfälle, bei älteren Menschen Stürze. Trotz schwerer Gewalteinwirkung auf das Gehirn mit Verletzung von Gehirngewebe konnte sich Klaus Holler körperlich und kognitiv gut entwickeln. Probleme hat er allerdings im Bereich der emotionalen Wahrnehmung behalten. So fällt es ihm schwer Freud und Leid bei sich und anderen differenziert wahrzunehmen.

Mit sechs Jahren erleidet Klaus Holler bei einem schweren Unfall auf dem Weg zum Kindergarten einen Schädelbasisbruch mit Schädel-Hirn-Trauma. Körperlich kann er sich damals schnell erholen, wird sogar noch im selben Jahr eingeschult und schließt später erfolgreich die Schule ab. Während seines Studiums wird ihm dann aber bewusst: Das Schädel-Hirn-Trauma hat Spuren hinterlassen.

„Nach dem Unfall 1973 bin ich eigentlich relativ normal aufgewachsen. Ich hatte zwar kein Geruchssinn mehr, mein Gesichtsfeld war links eingeschränkt. Aber ich habe mich ganz normal empfunden. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich keine Erinnerung an den Unfall habe. Bei einem Klassentreffen 2009 erfuhr ich von ehemaligen Mitschülern, dass ich wohl immer irgendwie ‚anders‘ war.

Meinen fehlenden Geruchssinn habe ich erst einmal gar nicht bemerkt. Ich sollte mich mal für eine Eissorte entscheiden und habe dann gesagt, dass das sowieso alles gleich schmeckt. Daraufhin wurde das erst untersucht. Ich bin wie jemand, der blind geboren wird. Der wird nie sagen, ‚hallo Leute ich bin blind‘. Erst während des Studiums wurde mir klar, was damit alles zusammenhängt.

Die Schule habe ich ganz normal abgeschlossen und anschließend Gießereitechnik studiert. Während des Studiums habe ich gemerkt, dass ich meine Emotionen eigentlich gar nicht richtig wahrnehme. Ich habe dann mit Psychogesprächstherapien begonnen. Nach ein paar Berufsjahren in der Gießereitechnik hatte ich den Wunsch, beruflich in den sozialen Bereich zu wechseln. Mein Gedanke war dabei:  Da sind viele Gefühle, ich habe wenige. Beides zusammen hilft dir vielleicht. Ich habe dann 20 Jahre lang in einem Behindertenheim gearbeitet. Mittlerweile weiß ich: Der direkte Weg meiner Gefühle und Emotionen ins Bewusstsein, der ist wohl irgendwie versperrt. Aber so ins Körperliche, das funktioniert wohl.

Um die Jahrtausendwende hat mir ein Berufshelfer von der Berufsgenossenschaft die Kliniken Schmieder empfohlen. Seit 2001 komme ich nun im Zwei-Jahres-Rhythmus nach Gailingen, zuletzt im Drei-Jahres-Rhythmus. Insgesamt neun Mal war ich hier. Die Aufenthalte und das Gesamtkonzept hier bei den Kliniken Schmieder bringen was. Bei so psychischen Sachen muss man seinem Kopf das passende Umfeld bieten und dann findet man einen Weg, wie man damit klarkommt. Reine Gesprächstherapien habe ich eigentlich weniger, eher Bewegungstherapien. Dass ich Fortschritte mache, merke ich an meiner Umgebung. Die Ärzte, die mich schon länger kennen, sagen, dass da Veränderungen sind.

Mein Ziel war bisher weiter mit meinen Emotionen zurechtzukommen. Mir ist aber klar geworden, dass ich auch noch mit meinem Unfalltrauma zu kämpfen habe. Seit ich gegenüber von einem Krankenhaus wohne, bin ich angespannter und habe teilweise starke Muskelverspannungen. Dieses ständige Tatütata der Krankenwagen lösen wohl Erinnerungen an den Unfall aus. Meine Psychologin meinte aber, dass genau dieses Tatütata ein Glücksbringer für mich sei, weil es damals die Rettung für mich bedeutete. Mit diesem Gedanken setze ich mich auseinander und bemerke dadurch eine positive Entwicklung des Traumas.

Das spezielle Problem bei mir ist allerdings, dass ich mein Trauma nicht mit Erinnerungen und Gefühlen bearbeiten kann. Ich habe ja beides nicht. Ich habe mir zwar schon öfter bildlich vorgestellt, wie der Unfall abgelaufen sein muss, aber da kommt kein Gefühl hoch. Zuhause habe ich eine Trauma-Therapie angefangen, weil ich es störend finde, dass mich das jetzt doch irgendwie auch körperlich belastet.

Mein großer Traum ist es, meine Emotionen kennenzulernen. Und dann kommt vielleicht ein neuer großer Traum. Am besten ist es, immer dranzubleiben. Vielleicht etwas Neues draus zu machen, nicht am Alten festzuhalten.“

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