»Mein Ziel war es, ohne Hilfsmittel wieder laufen zu können«

Patienten berichten

Kristian Hostic

»Mein Ziel war es, ohne Hilfsmittel wieder laufen zu können und das habe ich erreicht«

Polyneuropathie

Polyneuropathien sind Erkrankungen, die das periphere Nervensystem betreffen. Dabei erleiden Nerven außerhalb des zentralen Nervensystems – also außerhalb von Gehirn und Rückenmark – Schäden. Dies führt dazu, dass die Signalübertragung in den Nervenbahnen gestört ist, was sich in Form von Missempfindungen, Störungen der Wahrnehmung oder auch Schmerzen äußern kann. Es gibt über 300 bekannte Ursachen von Polyneuropathien; häufig sind Polyneuropathien die Folge einer bestehenden Grunderkrankung. Zu den häufigsten Auslösern gehören unter anderem ein fortgeschrittener Diabetes mellitus (diabetische Neuropathie) [~35%], vermehrter Alkoholkonsum [~20%], weiterhin Schilddrüsen- und Nierenerkrankungen, verschiedene Infektionskrankheiten, der Kontakt mit Schadstoffen (toxische Polyneuropathie) sowie Krebserkrankungen oder die damit verbundene Chemotherapie. Die Ursache von etwa 1/4 aller Polyneuropathien bleibt aber auch nach ausführlicher Abklärung ungeklärt. Da sowohl die Ursachen für Nervenschäden als auch die individuellen Symptome sehr unterschiedlich sein können, variieren die Schätzungen zur Häufigkeit erheblich. Nach groben Einschätzungen könnte eine von 2.000 Personen an einer Polyneuropathie leiden. Die Wahrscheinlichkeit, von dieser Erkrankung betroffen zu sein, steigt zudem mit zunehmendem Alter.

Kristian Hostic, der seit sechs Jahren in Kroatien lebt, bricht während eines Besuchs bei seiner Schwester in Deutschland plötzlich zusammen – starker Blutverlust, Schwindel, heftige Magenschmerzen. Er fällt ins Koma und wacht erst nach drei Wochen wieder auf. Die Diagnose: Magengeschwüre und Polyneuropathie. Wie es dazu kam und wie er mit dieser Herausforderung umgeht, erzählt er uns hier.

Über Ostern habe ich meine Schwester in Stuttgart besucht. Seit sechs Jahren lebe ich in Kroatien, aber geboren und aufgewachsen bin ich in Deutschland. Ich erinnere mich, dass ich am Montagmorgen, den 1. April 2024, aufgewacht bin und mich ungewöhnlich schwach gefühlt habe. Mir war so stark schwindelig, dass ich schließlich zusammengebrochen bin. Bevor ich das Bewusstsein verlor, konnte ich meiner Schwester und den Anwesenden gerade noch sagen, dass sie einen Krankenwagen rufen sollen. Danach kann ich mich an nichts mehr erinnern.

Ins Krankenhaus wurde ich eingeliefert, weil ich Magenblutungen und Magengeschwüre hatte. Da Blut in meine Lunge gekommen war, hatte ich zusätzlich eine schwere Lungenentzündung. Ich hatte insgesamt zwei Drittel meines Blutes verloren und mein Zustand war sehr kritisch. Die Ärzte konnten in den ersten zehn Tagen nicht sagen, wie es für mich weitergeht.

Die Ärzte haben mich ins künstliche Koma versetzt, damit sie mich bestmöglich behandeln konnten. Als ich nach drei Wochen aus dem Koma aufgewacht bin, habe ich gemerkt, dass ich die Beine nicht mehr wie bisher bewegen kann. Ich hatte kein Gefühl in den Beinen. Bei der Untersuchung wurde dann festgestellt, dass ich Polyneuropathie habe. Umgangssprachlich kann man diese Erkrankung auch „Koma- Beine“ nennen. Das kann vorkommen, wenn man eine Zeitlang unbeweglich im Koma liegt. Dadurch entwickeln sich Missempfindungen in den Händen oder Füßen wie Kribbeln, Brennen oder Taubheit. Ich finde es erschreckend, wie schnell der Körper abbaut. Drei Wochen Unbeweglichkeit führen zu langwierigen Wiederherstellungsphasen. Zum Glück sind die neurologischen Defizite nur in den Beinen. Meine kognitiven Fähigkeiten sind nicht beeinträchtigt.

Der aktuelle Stand meiner Beine ist auf beiden Seiten unterschiedlich. Rechts ist das Bein im Bereich Schienbein vorwiegend taub. Ich kann meinen Fuß nach links oder rechts bewegen, ich kann ihn auch strecken aber ich kann ihn nicht zu mir heranziehen. Im linken Bein habe ich generell ein sehr gutes Gefühl. Da ist aber das Problem, dass ich mein Knie weder beugen noch strecken kann, da das Gelenk verkalkt ist. Ich humple noch ein wenig, mein Gang ist noch nicht flüssig. Aber das Laufen strengt mich nicht mehr so an, wie unmittelbar nach dem Koma. Mit einer Orthese am Knie erfahre ich außerdem eine starke Unterstützung. Sie lindert meine Schmerzen und stabilisiert das Gelenk effektiv.

Ich war knapp drei Monate in den Kliniken Schmieder Gerlingen in Behandlung, erst in der C-Phase, dann in der D-Phase. Ich bin sehr dankbar für die Reha-Zeit, denn ich habe sehr gute Fortschritte gemacht. Ein großes Dankeschön geht an alle Therapeuten, mit denen ich persönlich zu tun hatte. Sie waren sehr engagiert. Es war ihnen wichtig, dass ich auch ohne Rollator zurechtkomme und mich bewegen kann. Eine Zeitlang bin ich auch mit dem Gehstock gelaufen, doch jetzt brauche ich diese Hilfe nicht mehr.

Als ich gerade aus dem Koma erwacht war, konnte ich nur wenige Sekunden an der Bettkante sitzen, bevor mir schwarz vor Augen wurde. Damals dachte ich: "Wie soll das jemals wieder besser werden, wenn ich nicht einmal sitzen kann?" Als ich das erste Mal aufstehen musste, war das eine enorme körperliche und geistige Herausforderung. Man verliert das Vertrauen in seinen eigenen Körper und das belastet einen sehr. In solchen Momenten stellt man sich viele Fragen: Ist es Schicksal? Ist mein Lebensstil schuld? Warum hat es mich getroffen? Doch in der Reha habe ich erkannt, dass ich nicht allein bin. Viele Menschen machen ähnliche Erfahrungen, und das hat mir Kraft gegeben.

Meine Lieblingstherapie war die Einzeltherapie mit dem Physiotherapeuten. Die muss ich besonders hervorheben, weil es sehr abwechslungsreich war und er mich ordentlich zum Schwitzen gebracht hat. Er hat mich gefordert und gefördert. Aber auch alle Therapien, die mit Bewegung zusammenhängen, waren wirklich sehr gut. Durch diese Therapien habe ich wieder gelernt, meine Socken selbstständig anzuziehen und meine Schuhe zu binden. Es hört sich vielleicht nach wenig an, aber für mich ist das auf jeden Fall ein Erfolg. Es zeigt, dass die Arbeit Früchte trägt.

Mein Ziel war es, wieder ohne Hilfsmittel laufen zu können und dieses Ziel habe ich inzwischen erreicht. Als nächstes möchte ich meine körperliche Fitness wieder auf das Niveau bringen, das ich vor dem Zusammenbruch hatte. Es sieht vielversprechend aus und ich trainiere weiterhin mit großer Disziplin. In Gerlingen habe ich jeden Tag eigenständig Übungen gemacht und bin viel gelaufen. Diese Willensstärke möchte ich beibehalten. Daher rate ich jedem, der sich in einer ähnlichen Situation befindet, optimistisch zu bleiben, Geduld zu haben und viel Eigeninitiative zu zeigen.

 

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