Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Entmarkungserkrankung des zentralen Nervensystems. Neben der Epilepsie ist sie eine der häufigsten neurologischen Krankheiten bei jungen Erwachsenen. Die meisten Patient:innen sind zwischen 20 und 40 Jahre alt, wenn die Symptome zum ersten Mal auftreten. Bei mehr als einem Drittel der Patient:innen fängt die MS mit Gefühlsstörungen an: Arme oder Beine fühlen sich taub an oder es kribbelt auf der Haut. Ziel der therapeutischen Maßnahmen ist es, die Unabhängigkeit der Patient:innen im Alltag zu erhalten. Die beste erreichbare Lebensqualität soll gewährleistet werden.
Yvonne Stern ist viel in Bewegung, allein schon wegen ihres Berufs: Sie ist Postzustellerin. Dann, vor über zehn Jahren, die Diagnose: Multiple Sklerose. Zuerst ignoriert sie die Erkrankung. Heute lernt sie mehr und mehr, damit umzugehen und Unterstützung anzunehmen, wenn es nötig ist.
„Anfang 2013 habe ich gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt. Meine Beine fühlten sich oft kribbelig an. Vor allem das Treppensteigen war plötzlich schwierig. Ich dachte an einen eingeklemmten Nerv und bin zum Arzt gegangen. Zwei Monate später hatte ich die Diagnose MS. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich so gut wie nichts über diese Krankheit. Ich habe mich auch erstmal nicht darüber informiert, habe das Ganze verdrängt. Es kam mir einfach nicht so vor, als wäre ich wirklich krank.
Seit ein oder zwei Jahren befasse ich mich mehr damit. Das kam teilweise durch die Sozialen Medien. Bei Instagram bin ich auf das Profil von „Kevin Kämpferherz“ gestoßen, einem jungen Mann, der an MS erkrankt ist und darüber postet. Dort habe ich viele Informationen bekommen und Kontakt zu anderen Betroffenen, mit denen ich mich austauschen kann. Das ist wie eine Selbsthilfegruppe, eine große Community.
Jetzt bin ich zum ersten Mal wegen der MS in einer Rehaklinik, seit vier Wochen. Ich bin froh, dass ich mich dazu entschieden habe und dass ich so schnell einen Platz bekommen habe. Hier habe ich erst gemerkt, wie viel ich mir im Alltag normalerweise abverlange. Ich bemerke im Alltag Beeinträchtigungen sowie kognitiv als auch körperlich. Die Fatique spielt eine Rolle. Hier lerne ich meine Energie einzuteilen und sie auch im Arbeitsleben umzusetzen.
Das Schwierigste für mich ist, mir einzugestehen, dass es nicht mehr so ist wie früher. Dabei werde ich hier gut unterstützt. Ich habe eine Psychologin, die sehr einfühlsam ist und mir dabei hilft. Inzwischen kann ich es sagen, wenn es mir nicht so gut geht und ich Ruhe brauche, das ist wirklich ein Fortschritt.
Die Sportangebote hier wie Schwimmen, Wassergymnastik, Gerätetraining oder Walken motivieren mich total, mich wieder mehr zu bewegen und auch zu Hause dranzubleiben. Auch die anderen Therapien helfen mir sehr. Zum Beispiel die Neuropsychologie, hier trainiere ich, mir Dinge wieder besser zu merken und meine Reaktionsfähigkeit zu steigern. Die Reha tut mir sehr gut, weil ich gemerkt habe man ist nicht allein. Für mich war es auch hilfreich Menschen zu begegnen die ähnliches durchmachen.
Zum Glück habe ich meinen Freund und meine Familie an meiner Seite und ich versuche alles Positive aufzusaugen. Ich liebe den Wald und hier in der Natur, kann ich ganz viel Energie tanken. Mein Ziel ist es, mehr nach mir zu schauen, Dinge zu tun die mir guttun und weiterhin zu arbeiten. Das ist mir wirklich wichtig, zumal mir mein Job Spaß macht. Vom Sozialdienst habe ich Informationen zu Unterstützungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz bekommen. Auch das hilft mir sehr weiter.
Hier erscheinen mir die Krankheiten der anderen Patienten viel schlimmer, als meine eigene. Ich bewundere diese Menschen für ihre Stärke, oft sehen sie die ja selbst gar nicht. Und dann denke ich mir: das, was ich über andere denke, das bin ich auch. Das ist wie ein Spiegel. Die Stärke, die ich in den anderen sehe, die habe ich auch in mir.
Was ich gerne weitergeben möchte ist, es sich einzugestehen dass man Hilfe braucht und sie auch annimmt, offene Kommunikation ist wichtig.
Ich möchte auf jeden Fall wieder nach Gailingen kommen. Wenn es geht, dann alle zwei Jahre.“