»Ich bin stolz auf mich«

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AUS SEINER ERKRANKUNG GEHT PHILIPP BURGARD ERSTÄRKT HERAUS.

»Ich bin stolz auf mich«

Guillain-Barré-Syndrom

Das Guillain-Barré-Syndrom, kurz GBS, ist eine Nervenerkrankung, bei der es zu entzündlichen Veränderungen des peripheren Nervensystems kommt. Als typisches Symptom gilt eine an den Händen oder Füßen beginnende Lähmung und Sensibilitätsstörung, welche sich mit der Zeit weiter zum Körperstamm hin ausbreitet. Die Krankheit kann je nach Verlaufsform mit unterschiedlicher Geschwindigkeit voranschreiten. So kann sich GBS in einer Zeitspanne von Stunden bis Monaten entwickeln. Die genaue Ursache ist bisher weitgehend unklar, doch tritt die Erkrankung in der Regel nach einer Infektion auf. Insgesamt erkranken jährlich etwa 1-2 von 100.000 Personen an GBS.

Philipp Burgard genießt sein junges Leben in vollen Zügen. Er spielt Fußball, ist leidenschaftlicher Motorradfahrer und nach seiner Ausbildung zum Marketingassistenten arbeitet er im Gasthof seiner Eltern. Doch als der 20-Jährige Probleme beim Treppensteigen bemerkt und eines Morgens gar nicht mehr aus dem Bett kommt, weiß er, etwas stimmt nicht. Er leidet am Guillain-Barré-Syndrom  – eine seltene Nervenerkrankung. Jedoch lässt sich der junge Mann nicht runterkriegen und geht gestärkt aus der Krankheit hervor.  

„Es war erst letzten August, als mir aufgefallen ist, dass das Treppenlaufen schwieriger ist als sonst. Die Muskeln haben einfach nicht mehr mitgemacht. Zunächst dachte ich, es handelt sich nur um einen Muskelkater. Doch als sich auch nach Tagen keine Besserung eingestellt hat und ich eines Morgens dann gar nicht mehr aus dem Bett gekommen bin, war mir klar, irgendwas stimmt hier nicht.

Ich wurde in die Notaufnahme gebracht, wo mich ein Neurologe behandelt hat, der früher auch bei den Kliniken Schmieder tätig war – zum Glück! Nach wenigen Minuten wusste er nämlich sofort, dass es das Guillain-Barré-Syndrom ist. Dies war zunächst ein Schock für mich, aber auf der anderen Seite war ich erleichtert zu wissen, was ich habe. Nach einigen Tagen in der Intensivstation verbesserte sich mein Zustand dank der Immunglobulintherapie und ich kam zur Rehabilitation nach Bad Dürrheim. Dort erlebte ich einen Rückfall: Plötzlich konnte ich wieder nicht mehr laufen und es folgte ein erneuter Aufenthalt im Krankenhaus. Nach dem Rückfall war es sehr schwer, mich wieder aufzuraffen, weshalb ich auch psychologische Hilfe in Anspruch genommen habe.  

Meine Familie war in dieser Zeit eine enorme Stütze. Sie besuchten mich fast täglich und meine Freundin verbrachte jede freie Minute mit mir. Meine Mutter hat auch oft übernachtet. Wenn man bedenkt, dass sie nebenbei noch unseren Familiengasthof betreiben, kann man sich vorstellen, wie schwer diese Zeit für alle war. Aber gleichzeitig war es auch schön zu sehen, wie sehr sie hinter einem stehen. Sie haben mich in schwierigen Phasen aufgeheitert und geholfen, wo es nur ging. Dies hat uns enorm zusammengeschweißt. Ja sogar Bekannte und Freunde sind dadurch zu Familie geworden.

Nach meinem Rückfall kam ich dann zu den Kliniken Schmieder. Ich war zunächst bettlägerig und musste das Gehen von neuem erlernen. Doch es ging bergauf. Hier ist es wichtig, sich kleine Ziele zu setzen. So wird man nicht so schnell enttäuscht. Meine größte Hilfe waren aber die Therapeuten und Pfleger, denen gehört in der Geschichte am meisten gedankt. Die mussten sich mein ständiges Gejammer anhören und gleichzeitig sind sie es, die auch die großen Momente mit einem durchleben, zum Beispiel das erste Laufen ohne Hilfe. In der Reha habe ich mit meinem Therapeuten mehr Händchen gehalten als mit meiner Freundin. Dadurch, dass man sieht, wie viel Energie sie in einen stecken und wie viel Mühe sie sich geben, strengt man sich nochmal extra an, für sie. Um ihnen zu zeigen, dass ihre Anstrengungen nicht umsonst waren.

Ich kann daher jedem nur raten: Hört auf die Therapeuten und Pfleger! Sie wissen, was sie tun und was das Richtige für einen ist. Deshalb sollte man ihnen vertrauen. Vor allem in Zeiten, in denen man sich selbst nicht vertrauen kann. Dies führte oft zu Diskussionen, weil die Therapeuten einen fördern möchten. Als ich zum Beispiel noch auf den Rollator angewiesen war und Pascal mir den einfach abnimmt und meint: ‚Das kannst du auch ohne!‘ Im ersten Moment ist man wirklich sauer, weil man denkt, dass man es nicht kann. Aber es ist alles Kopfsache. Und er sollte Recht behalten: Ich habe es tatsächlich geschafft. Es geht nicht anders, learning by doing.

Auch der Austausch mit anderen Patienten ist wichtig. Viele haben Ähnliches durchlebt und können einem mit praktischen Tipps weiterhelfen. Und vor allem mit anderen Patienten lachen. Da kann man mal vergessen, dass man krank ist. Hier sitzen wir nämlich alle in einem Boot.

Rückblickend denke ich, dass die Krankheit einen besseren Menschen aus mir gemacht hat. Einen gesünder lebenden auf jeden Fall. Seitdem mache ich Zuhause aktiv Nordic Walking, mindestens dreimal die Woche und arbeite auch weiterhin an meiner Kraft und Ausdauer. Ich möchte unbedingt am Ball bleiben. Außerdem habe ich erkannt, wie wichtig Gesundheit ist, und ich gehe sofort zum Arzt, sobald etwas ist. Lieber einmal zu oft als einmal zu wenig. Ich bin stolz auf mich, dass ich das alles geschafft habe und vielleicht blicke ich bald auf diese Monate zurück und kann darüber lachen.

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