»Es gibt nur eins: nach vorne zu schauen«

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Die Diagnose Schlaganfall war für Reinhard Bischoff erst einmal schwer zu begreifen

»Dann musste man sich dieser Herausforderung eben stellen«

Schlaganfall

Der Schlaganfall ist keine einheitliche Erkrankung; der Oberbegriff „Schlaganfall“, auch Apoplex oder Hirninsult, wird für eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen verwendet, die verschiedene Ursachen und damit auch unterschiedliche Therapien erfordern. Je nach Ursache sprechen Ärzte vom „Hirninfarkt“, wenn der Schlaganfall durch eine Mangeldurchblutung des Gehirns hervorgerufen wurde oder von einer „Hirnblutung“, wenn er durch den Austritt von Blut in das Hirngewebe verursacht wurde. Knapp 270.000 Schlaganfälle* ereignen sich jährlich in Deutschland. (*Angaben der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe)

Reinhard Bischoff will in einer Nacht im Januar 2019 auf die Toilette. Im Bad kippt plötzlich sein linkes Bein weg. Mit einer Hand kann er sich gerade noch am Waschbecken festhalten, dann fällt er zu Boden. Nach vielen Versuchen, mit eigenen Kräften aufzustehen, ruft seine Frau den Notarzt. Diagnose Schlaganfall. Im Gespräch erzählt Reinhard Bischoff, wie er mit der völlig unerwarteten Situation zurechtkommt.

„Was wusste ich von Schlaganfall? Gehört hatte man schon einiges aber was richtig ist, keine Ahnung. An so was denkt ja kein Mensch, wenn man ein Leben lang nicht geraucht, nie getrunken und sehr viel Sport gemacht hat. Schlaganfall nimmt keine Rücksicht auf Sportler, das weiß ich. Aber dann musste man sich dieser Herausforderung eben stellen. Nach sechs Tagen auf der Intensivstation in Friedrichshafen bekomme ich einen Anruf von meiner Krankenkasse: Ich habe einen Platz bei den Kliniken Schmieder in Allensbach. Am Anfang war die komplette Seite von den Zehen bis zur Schulter betroffen, aber im Gesicht hat man mir den Schlaganfall nicht angesehen, Gott sei Dank auch nicht an der Sprache.

Ich bin sehr zufrieden mit der Therapie und den Therapeuten. Die Physio- und Ergotherapie haben mir am meisten geholfen. Die Ergotherapeuten sind super, die forcieren einen. Wenn ich die Hand mal bis zum Kinn hochkriege, dann sagt die Ergotherapeutin, dass die Hand noch weiter hoch muss. Dann hat sie ein paar Übungen mit mir gemacht und am Schluss war ich dann tatsächlich mit der Hand oben am Kopf.

Man denkt oft, das geht doch leicht. Es scheint alles so einfach. Ein Beispiel: Es gibt ja so kleine Lederbälle mit denen wir trainieren. Wenn die Therapeutin sagt, man soll den werfen, versucht man das und denkt sich, ‚das muss ja gehen‘ aber der Ball fällt dann einfach runter. Kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Klar, nach ein bisschen Übung fliegt er dann doch ein Stück aber das sind so Momente wo du sagst ‚das gibt es doch nicht‘.

Aber mir macht das Körperliche und das Psychische nicht zu schaffen. Ich habe mich darauf eingestellt. Zwar geht einem von Anfang an alles Mögliche durch den Kopf: ‚Was ist das überhaupt, Schlaganfall, was ist überhaupt mit dir passiert?‘ Aber es gibt nur eins: nach vorne zu schauen.  Dabei helfen einem ja die Therapeuten. Wenn man das ambulant zuhause machen sollte, da würde man wahrscheinlich nicht viel weiterkommen. Und deswegen finde ich hier dieses Komplette besonders gut, auch die Apparate. Das Laufband für das Gehen zum Beispiel, da kann einem nichts passieren, weil man wie in einem Sack drin hängt.

Geduld ist aber, glaube ich, die schwerste Therapie. Ich habe jahrelang als Planer und Bauleiter viel körperlich gearbeitet, und wenn das dann plötzlich nicht mehr so wie vorher geht, immer nur ein bisschen, dann muss man sich in Geduld üben. Aber Gott sei Dank geht es immer ein Stück vorwärts. Man muss aber auch bereit sein, zusätzlich was zu machen. Nicht nur mit den Therapeuten.

Was mir Kraft gibt, ist das Ziel, das ich mir gesetzt habe. Von Anfang an habe ich immer gesagt „Ich gehe hier erst raus, wenn ich gehen kann!“ Und das natürlich so schnell wie möglich. Besuche bekomme ich eigentlich nur von meiner Familie. Mehr möchte ich auch nicht und unter der Woche ist das sowieso gar nicht machbar. Man braucht hier seine ganze Kraft und dann auch mal seine Ruhe. Bei jeder Sache hier muss man voll konzentriert sein und wenn man das nicht ist, dann geht’s nicht. Die meisten meiner Freunde haben Verständnis dafür.

Man hat hier einfach genug mit sich zu kämpfen. Obwohl - eigentlich ist das auch eine Art Sport. Und sportlich war ich schon immer: Fußball, Tennis oder auch Squash und jetzt seit ein paar Jahren Golf. Da ist man immer in Bewegung, ein schöner Sport an der frischen Luft. Wer weiß, vielleicht kann ich das dann auch mal wieder spielen.“

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