»Frau Ilg, Sie sind ein Wunder«

Patienten berichten

Nach einem schweren Motorradunfall führte die Rehabilitation Yvonne Ilg zurück in ein aktives Leben

»Ich wollte unbedingt nochmals die Seeburger Steige fahren«

Koma u. Wachkoma durch schwerste Hirnverletzung

Bei schweren Motorradunfällen kommt es neben Knochenbrüchen an Armen und Beinen nicht selten zu schweren Verletzungen von Rippen und Lunge, von inneren Organen im Bauchraum und zu Gehirnver-letzungen mit Hirnquetschungen, Hirnblutungen und Hirnschwellung. Bereits am Unfallort fallen die Betroffenen in eine tiefe Bewusstlosigkeit, die man Koma nennt. Nach lebensrettenden Operationen im Akutkrankenhaus und Behandlung auf der Intensivstation werden die Patienten auf einer neurologischen Frührehabilitationsstation weiter betreut. Dort beginnt der lange Weg zurück ins Leben häufig in einem Zustand des Wachkomas: Der Patient kann wie im Koma noch keinen Kontakt zur Umwelt aufnehmen, zeigt aber schon einen zurückgekehrten Schlaf-Wach-Rhythmus mit zeitweise geöffneten Augen.

Ein sonniger Samstag im August: Yvonne Ilg, 25, genießt mit ihrem Freund Falko eine herrliche Motorradtour auf die Schwäbische Alb. Auf dem Rückweg stürzt Yvonne plötzlich beim Beschleunigen nach einer Kurve und prallt mit 50 km/h in die Leitplanke. Ein Hubschrauber ist in wenigen Minuten zur Stelle – zu ihrem Glück. 20 intensive Operationsstunden folgten. Insgesamt kämpfen die Ärzte 60 Tage um ihr Leben, dann das Erwachen in der Rehabilitation. Dort muss sie sie alle körperliche Funktionen neu erlernen: Atmen, Essen, Greifen, Gehen, Sprechen. So bitter Yvonne Ilgs Unfall war, so erfolgreich waren Rettungskette, Akutbehandlung und Rehabilitation.

„Ich wollte unbedingt nochmals die Seeburger Steige fahren, eine tolle, kurvenreiche Strecke. Ich beschleunigte nach einer 90-Grad-Kurve, stürzte unglücklich und prallte in die Leitplanke. Leider hatte diese keinen ,Unterfahrschutz’, weswegen ich unter sie rutschte und am Pfosten hängenblieb. Ich bekam keine Luft mehr und hatte unendliche Schmerzen. Alle 24 Rippen waren gebrochen, eine große Arterie abgerissen, alle Organe geschockt. Nichts ging mehr. Falko hat mir später erzählt, ich sei in seinen Armen gestorben. Und dann kam uns das Glück zu Hilfe: Kurz zuvor hatte Falko einen Kurs in Erster Hilfe absolviert, und so konnte er mich an der Unfallstelle reanimieren. Mittlerweile war der Notarztwagen eingetroffen und wenige Minuten später auch der Hubschrauber. Es folgten 20 Stunden Notoperation in denen zwei Ärzteteams parallel an meinem Körper arbeiteten. 60 Tage war ich ohne Bewusstsein, ich überstand 14 weitere Operationen, die Ärzte kämpften jeden Tag um mein Leben.

Dann am Tag 68 die Verlegung im wachkomatösen Zustand in die Rehabilitation nach Gerlingen. Hier kam ich ganz langsam zu Bewusstsein. Mein Freund war jeden Tag viele Stunden bei mir. Er wusste, ich war eine risikobehaftete, bettlägerige Intensivpatientin, die einen weiten Weg vor sich hatte. Die ersten Wochen ging kaum etwas voran. Ich weinte sehr viel, war verzweifelt und fühlte mich gefangen in meinem Körper. Ich konnte nur die Augen bewegen. Es war, als ob mein Gehirn gelöscht worden wäre. Mich gegenüber meinem Freund und dem Behandlungsteam verständlich zu machen, war ein großes Problem. Zunächst war das nur über die Augen möglich. In der Logopädie lernte ich dann, meine Bedürfnisse mittels Bildkarten auszudrücken. Das war ein gutes Gefühl, erst recht als ich wieder schreiben und mit Hilfe meiner Logopädin erste Laute formulieren konnte.

Im neuen Jahr nahm die Besserung plötzlich Fahrt auf: im Januar merkte ich deutliche Fortschritte auch geistiger-seelischer Natur. Ich konnte wieder adäquat reagieren und besser an meinen täglichen Therapien mitarbeiten. Ein Meilenstein waren meine ersten Stehversuche im Februar, mit Hilfe meiner Physiotherapeuten natürlich. Und so ging es Schlag auf Schlag weiter. Lauftraining, Treppentraining – meine Therapeuten forderten mich täglich vielfach. Im Mai bin ich über die Station gejoggt. Zur Überraschung aller, denn die meisten Mediziner hatten mich als lebenslangen Pflegefall gesehen. Der Chefarzt nahm mich in den Arm und sagte „Frau Ilg, Sie sind ein Wunder, Sie sind die Erste, die aus der Klinik hinausjoggt“.

Am 17. Juni 2014 war dann die herbeigesehnte Entlassung. Seither habe ich jede Woche Logo, Physio und Ergo, um die Beweglichkeit im rechten Arm noch zu steigern. Mein Freund versteht mich gut, auch andere geübte Zuhörer. Mein Wunsch ist, wieder besser sprechen zu lernen, damit ich wieder in meinem Beruf als Verwaltungsfachangestellte arbeiten kann. Das ist mein nächstes Ziel.“

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