Blinde Praktikantin

Erfolgsstory aus dem Patientenmanagement

„Geht nicht, gibt's nicht!"

Anita Bornemann sitzt mit ihren großen schwarzen Kopfhörern vor einem Computerbildschirm im Patientenmanagement der Kliniken Schmieder in Allensbach. Sie lauscht einer männlichen Stimme, die ihr den Text, der auf dem Monitor zu sehen ist, in einer rasanten Geschwindigkeit diktiert. Parallel dazu fliegen ihre Finger förmlich über eine Braillezeile. Das gesprochene Wort über eine spezielle Software zusammen mit der Braille-Schrift ist ihre Art des Lesens am Computer, denn ihre Augen kann sie dazu nicht nutzen: Anita Bornemann ist seit ihrer Geburt blind.

Gerade deshalb ist das Praktikum, das sie in der Belegungsabteilung von September bis Dezember 2022 absolvierte, etwas Besonderes, in erster Linie für die Abteilung selbst. Denn zunächst galt es technische Hürden zu überwinden, sodass ein Arbeitsumfeld geschaffen werden konnte, in dem Anita Bornemann sich nicht nur wohl fühlte, sondern auch selbstständig Aufgaben übernehmen konnte.

Die 44-Jährige ist an die besondere technische Ausstattung schon gewöhnt, die sie v. a. privat nutzt, um zum Beispiel im Internet surfen oder Mails lesen und beantworten zu können. Für das Patientenmanagement ist das wiederum absolutes Neuland. Der Leiter des Patientenmanagements, Michael Reichmann, erzählt: „Die technischen Herausforderungen machten uns deutlich, dass wir in Sachen digitaler Barrierefreiheit noch Nachholbedarf haben, aber Herr Mattes, Leiter der IT-Abteilung bei den Kliniken Schmieder und ich waren von Anfang an überzeugt, dass wir das hinkriegen. Es hat ein paar Wochen gedauert und externe technische Unterstützung benötigt aber am Ende hat es geklappt. ‚Geht nicht, gibt’s nicht‘ war unser Motto.“

Dank eines eigenen virtuellen Servers, einer zusätzlichen Braillezeile und einer Screen-Reader-Software, kann Anita Bornemann viele Aufgaben im Bereich der Abrechnung selbstständig übernehmen. Eine Herausforderung ist die Barrierefreiheit auch deshalb, weil das GPM-System, mit dem die Belegungsabteilung arbeitet, viele grafische Elemente enthält, die für sehbeeinträchtigte Menschen wie Anita Bornemann nicht einfach von der Software „ausgelesen“ werden können. „Eine hundertprozentige Barrierefreiheit ist mit dem Programm nicht erreichbar aber vieles ist doch wider Erwarten möglich dank spezieller Softwaretechnik“, erklärt Michael Reichmann.

„Es hat sich immer ein Engel gefunden.“

Technik ist die eine Seite, doch ein Arbeitsumfeld, in dem man sich als blinde Person auch zurechtfindet und wohlfühlt, ist die andere Seite. Auch das war möglich dank der Aufgeschlossenheit und Unterstützung durch die Kolleg:innen, nicht nur aus dem Team des Patientenmanagements, sondern auch aus anderen Klinikbereichen. Im Klinikalltag –  sei es bei der Fahrt mit dem Shuttlebus vom Allensbacher Bahnhof zur Klinik oder beim Mittagessen in der Kantine –  war die gebürtige Niedersächsin immer wieder auf Kolleg:innen angewiesen, die sie dabei begleiteten. „Noch nie habe ich so viel Aufgeschlossenheit erlebt wie hier bei den Kliniken Schmieder, es hat sich immer ein Engel gefunden“, erzählt Anita Bornemann lächelnd, die in Singen lebt und täglich mit der Bahn nach Allensbach kam.

Es sind die letzten Tage ihres Praktikums, das die gelernte Masseurin im Rahmen einer Umschulung beim Berufsförderungswerk Würzburg absolviert. Trotz der anfänglichen kleinen und großen Hürden ist die 44-Jährige mehr als begeistert von der Arbeit und vom Team. Auch Michael Reichmann ist glücklich: Für ihn stellt die erfolgreiche Umsetzung des Praktikums nicht nur eine kleine Erfolgsstory für die Belegungsabteilung und die Kliniken Schmieder dar, sondern ist auch für ihn ganz persönlich eine enorme Bereicherung. „Frau Bornemann hat mir durch ihre unkomplizierte, offene und herzliche Art Berührungsängste genommen, ich habe viel von ihr gelernt.“

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